Die sparsame Kriegsküche


Herausgegeben vom Verband pfälzischer Fraueninteressen-Vereine
2. Auflage mit Ergänzung für das Sommerhalbjahr bearbeitet [1915]
Druck Ernst René Grosser, Frankenthal
Größe 13×18,5 cm, Umfang 48 S.
Standort Privatbesitz

Ein Kriegskochbuch muss nicht so heißen und kann doch eines sein. Dieses trägt nicht nur sparsam im Namen es ist auch sparsam ausgestattet: Kein festes Deckblatt schützt seine Seiten. Das Titelblatt schmückt der aufwendige Schriftzug der Titelei nebst einem floralen Emblem. Die Schrift ist Fraktur. Die rückwärtige Umschlagseite wirbt für die wirtschaftliche Frauenschule zu Frankenthal.

Frankenthal liegt in der Pfalz, die zur Zeit des Kochbuchs noch zum Königreich Bayern gehörte. Die wirtschaftliche Frauenschule Frankenthal wurde 1910 gegründet. Träger war der Verband pfälzische Vereine für Fraueninteressen. 1917 trat die die Schule dem Reifensteiner Verband bei. Dem Dachverband der wirtschaftlichen Frauenschulen auf dem Lande, benannt nach dem Standort der ersten Schule dieser Art: Reifenstein im Eisfeld, gegründet 1897 (Umzug 1900). Die Frauenschule Frankenthal schloss 1920 ihre Pforten wieder. Nur zehn Jahre lang konnten junge Frauen dort das 1-jährige Maidenjahr absolvieren oder sich nach einem weiteren Jahr zur Haushaltungslehrerin oder Hausbeamtin ausbilden lassen: die typische Reifensteiner Ausbildung.

Ein anonymes Vorwort eröffnet das Kriegskochbuch. Es motiviert die Hausfrauen mit der bekannten Kriegspropaganda: Der englische Aushungerungsplan hat die wirtschaftliche Lage vollständig verändert. Jede Frau wird die Bedeutung der dadurch an sie herantretenden vaterländischen Aufgabe erkennen. Und schließt mit der Erwartung: Möge dieses Kriegskochbüchlein zu einem weisen Wirtschaften mit den vorhandenen Vorräten ein guter Wegweiser sein. Auf das Vorwort folgt eine Anleitung zur kriegsgemäßen Tagesbeköstigung. Hier wird empfohlen, zum Frühstück eine Suppe zu essen, das zweite Frühstück auszulassen, mittags gibt es nur 2-3 Mal wöchentlich Fleisch, dafür viel Gemüse, dicke Suppen und gehaltvolle süße Speisen. Das Abendbrot soll wieder fleischlos sein. Nun folgen über 100 unnummerierte Rezepte: Zuerst Suppen, dann Fleischspeisen, Fische, Gemüse mit dem Unterkapitel Zusammengekochte Gerichte, Kartoffel- und verschiedene süße Speisen (auch Kriegskuchen mit Obstauflage und Kriegsbrot) und Beigüsse (Das sind Saucen. Man war im Krieg mit Frankreich und vermied das französische Wort, auch wenn die unmittelbare Nachbarschaft das absurd erscheinen lässt). Im Anhang sind Rezepte für Obstspeisen zu finden: Diese, in hiesiger Gegend sonst wenig gebräuchlich, werden uns in der Kriegszeit als Ergänzung fehlender Nahrungsmittel und als Speisen, durch die reichlich Zucker in unsere Nahrung gebracht werden kann, gute Dienste leisten. Die Obstrezepte lösen das Versprechen des Titelsblatts – das Sommerhalbjahr zu berücksichtigen – ein. Zu Kaltschalen werden Äpfel, Rhabarber, Stachelbeeren, Kirschen, Johannisbeeren, Zwetschgen, Himbeeren und Erdbeeren gekocht. Das vorletzte Kapitel enthält Rezepte zur Vorratshaltung, u.a. Holundersaft, Rhabarbermarmelade mit Feigen und Ingwer, Hagebuttenkompott: Holunder und Hagebutten hat man gesammelt, Feigen wachsen in der warmen Pfalz wohl in den Gärten. Aber woher kam der Ingwer? Ob die Kolonialwarenläden ihn noch führten? Oder hatte man vergessen das Rezept kriegsgemäß zu vereinfachen, wie es im Vorwort heißt. Das Kochbuch endet mit Beschreibung und Handhabung der Kochkiste.

Die sparsame Kriegsküche muss im ersten Kriegsjahr geschrieben worden sein. Ich vermute Sommer 1915. Sie listet so viele Fleischrezepte, die schon bald kaum mehr gekocht worden sein können. Damals üblich und heute modern kocht man nose to tail – alle Bestandteile eines geschlachteten Tieres werden verarbeitet: Schweinebraten, Lungenmus, Schweinemagen, Leberklöße und Blutwurst:

Blutwurst, zu Kartoffeln zu essen.

1/4 Liter Wasser, 1/4 Pfund ausgelassenes Schweinefett, 1 kleine Zwiebel, 1/2 Pfund Haferflocken oder Grütze, 1 Eßlöffel Salz, 1 Teelöffel Majoran, 1/8 Liter Blut, reichlich, eine weichgekochte Schweineschwarte.

Man dünstet die feingewiegten Zwiebeln in Schweinefett an, gießt das Wasser dazu, gibt in die kochende Flüssigkeit die Haferflocken oder Grütze, Salz und Majoran und rührt so lange, bis die Masse dick ist. Ist sie etwas abgekühlt, dann mischt man die Schwartenwürfel und das Blut darunter. Man rollt eine Wurst, gibt sie auf ein bemehltes Tuch, bindet lose zu, damit die Wurst zum Aufgehen Platz hat und kocht sie 1 Stunde im Salzwasser. Dann lässt man sie abtropfen, beschwert sie zwischen zwei flachen Tellern oder Brettchen, schneidet sie in Scheiben und bäckt sie in heißem Fett.

(Die sparsame Kriegsküche, S. 16)

Lit.: Ortrud Wörner-Heil, Frauenschulen auf dem Lande. Reifensteiner Verband (1897-1997), 2. Auflage Kassel 1997.