Kriegskochbuch
über 200 erprobte Rezepte

Herausgegeben von Lina Wenninger
Selbstverlag der Verfasserin [1916]
Druck Carl Rembold, Heilbronn
Größe ca. 10×17 cm, Umfang 47 S.
Standort Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Krieg 1914/14247

Der kartonierte Einband des dünnen Büchleins ist grau. Für ein Kriegskochbuch ist es aufwendig gestaltet mit einem kreisrunden Schmuckornament im unteren Drittel und einem umlaufenden Band mit wechselnden Motiven im Jugendstil. Die Schrift ist Fraktur. Auf der rückwärtigen Umschlagseite werben Anzeigen für Heilbronner Kaufleute: Fischgeschäft Th. Treuer und Hut-Haus Haas. Aus dem Vorwort der Autorin erfährt man, dass Lina Wenninger verheiratet war – sie zeichnet mit Frau und geprüfte Kochlehrerin. Sie gab das Kriegskochbuch im Selbstverlag heraus und nennt keine weitere beteiligte Organisation. Demnach war sie alleine für Inhalt und auch Finanzierung verantwortlich und auf Einnahmen durch Anzeigenwerbung angewiesen. Neben Fischhändler und Hutmacher sind weitere Anzeigen geschaltet: vom Reformhaus Gesundheit F. Barts, von Emma Thoma, die Qualitätsware in Putz und Mode verkaufte, von Frau Emilie Schwaningers Heilbronner Kopf-Waschanstalt, von der Firma Weber-Kübler, die Korsetts anbot und von E. W. Kachel, der Gasherde führte.

Die Herausgabe dieses Buches erfolgt in schweren Zeiten schreibt Lina Wenninger und datiert ihre Vorwort im Kriegsjahr 1916. Das sind die einzigen konkreten Bezüge zum Ersten Weltkrieg. Wichtig ist der Autorin, Anspruch und Zielgruppe zu beschreiben: Ich beabsichtige nicht ein Kunstwerk zu liefern, sondern durch leicht verständliche Art den Hausfrauen Gelegenheit zu vielseitiger Abwechslung des Küchenzettels zu geben, so habe ich nur solche Rezepte gewählt, die im einfachen und gut bürgerlichen Haushalt praktisch verwendet werden können. Wir befinden uns am Übergang zur fleischlosen Kost. Und am Ende des Vorworts heißt es noch, dass Stadt und Land das Kochbuch wohlwollend aufnehmen mögen. Anders formuliert: Ihr Kriegskochbuch sei nichts für Fleischliebhaber der feinen Küche.

Die folgenden zwei Speisezettel enthalten jeweils über 30 nummerierte Menüvorschläge: Was koche ich heute? und Was gebe ich meinem Mann heute abend? Ein wenig unbedacht scheint ihre Formulierung für das Abendessen, denn viele Familien werden ohne Mann gegessen haben müssen.

Die anschließenden Rezepte gliedern sich ohne markierende Kapitelgrenzen in Suppen, Fisch-, Gemüse- und Kartoffelgerichte – darunter sind auch ein paar Gerichte mit Hackfleisch und Leber sowie Kaninchenrezepte. Das Kaninchen wird laut Wenninger zum Volksernährungsmittel werden. Es folgen Mehlspeisen, Salate, Tunken und Kuchen. Dabei handelt es sich u.a. um Kriegstorte, Kriegsbrötchen mit Gsälz, Kriegsbrot, Kriegsteekuchen. Man merkt: In den Rezepten ist der Krieg gegenwärtig. Die französische Sauce heißt Tunke und Sparsamkeit ist geboten: Zu empfehlen ist, daß man jede Kleinigkeit von Obst und Gemüse dörrt, am besten im Backofen, und bewahrt es in Säckchen und Büchsen auf zum Gebrauch. Spargel und Erbsenschalen werden im Ofen gedörrt, um im Winter zu Wurzelbrühe verwendet zu werden.

Lina Wenninger ist Heilbronnerin und schreibt für ihre Region. Man muss schon schwäbisch können und wissen, das Gsälz Marmelade und Prestlinge Erdbeeren sind, sonst klappt’s mit dem Kochen nicht. Als Beleg für die damalige regionale Küche sei hier das Rezept für Donzdorfer Klöße genannt. Donzdorf hatte 1916 gut 3000 Einwohner und gehört zur Region Stuttgart. Weitere Belege für ein gleichlautendes Rezept habe ich nicht gefunden.

Donzdorfer Klöße.

Brötchen (besser Wecken) werden in Scheiben geschnitten und mit kalter Milch angefeuchtet, so daß sie durchweg feucht sind. Zu 3 Brötchen nimmt man 1 Ei nebst Salz und 3 Kochlöffel Mehl, macht die Masse mit dem Rührlöffel untereinander und reibt mit dem Rührlöffel den Teig so lange, bis der Löffel sauber ist, legt sie mit dem Schaumlöffel in kochendes Salzwasser, läßt langsam 1/4 Stunde kochen, gibt sie auf eine Platte, zieht mit zwei Gabeln auseinander, bestreut mit Schnittlauch und schmälzt mit heißer Butter.

Kriegskochbuch, S. 33