Kriegskochbuch der Frauenhülfe


50 zeitgemäße Rezepte
11.-30. Tausend, Stiftungsverlag-Potsdam [1915]
Größe ca. 10×17 cm, Umfang 32 S.
Standort Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Krieg 1914/5869<11>

Mit nur 32 Seiten gehört das Kriegskochbuch der Frauenhülfe zu den dünnsten seiner Art. Ein schmaler schwarzer Rahmen schmückt das kleine mausgraue Heft. Die Schrift ist Fraktur. Die rückwärtige Umschlagseite bleibt leer.

Wer war die Frauenhülfe, die das Kriegskochbuch herausgab? Ein evangelischer Frauenverein, der Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde und den es auch heute noch gibt: die Evangelische Frauenhilfe e.V. Im Ersten Weltkrieg sammelte der Verein Lebensmittel, Verbandsmaterial und Geld für Soldaten, betreute die Hinterbliebenen der Gefallenen und bot Kriegskochkurse an. Da liegt es nahe, ein Kriegskochbuch herauszugeben. Das Vorwort hat Johanna Just, Vorsteherin der Kgl. Handels- und Gewerbeschule für Mädchen, Potsdam geschrieben. Heute heißt die Schule Oberstufenzentrum Johanna Just. In der Schule wurde u.a. Hauswirtschaft unterrichtet und laut Vorwort hat das Lehrkollegium der Schule die Rezepte zusammengestellt und erprobt. Auch das den Rezepten vorangestellte Kapitel Nährpräparate erinnert an ein Schulbuch. Es erklärt Ersatzstoffe, die eine ausreichende Ernährung gewährleisten sollen: Nährhefe und Eiersatz. Das Kapitel erklärt: Was ist das? Wo kann ich es kaufen? Wie ist es zu gebrauchen? Das Kriegskochbuch ist im Februar 1915 geschrieben und kommt mit diesen Ersatzstoffen aus. Im Verlauf des Krieges kamen noch eine Reihe weiterer hinzu.

Nun zu den Rezepten. Die Anzahl steht auf dem Titelblatt des Kriegskochbuchs der Frauenhülfe. 50 zeitgemäße Rezepte. Sie verteilen sich auf sieben Kapitel: Suppen, Kartoffelgerichte, Gemüsegerichte, Fleischgerichte, Fischgerichte, Klöße, Eierkuchen & süßen Speisen. Die umfangreichsten Kapitel sind die Kartoffelgerichte und die Eierkuchen/süße Speisen. Rezepte für Kuchen gibt es keine. Kriegskochbücher können Hinweise auf regionale Küche geben. Während im Bayerischen Kriegskochbüchlein Fleisch und Innereien weiter eine große Rolle spielen und die Kartoffeln als Mehlspeisbasis dienen müssen, bilden im preußischen Kriegskochbuch der Frauenhülfe die Kartoffeln einen traditionellen Mittelpunkt der Küche – gerne von Äpfeln, Pflaumenmus oder Dörrobst begleitet. Ebenfalls regional erscheinen die sauren Gurken und Äpfel im Gemüseragout.

Es ist die heilige Pflicht eines jeden, seine Versorgung mit Lebensmitteln den Kriegsverhältnissen entsprechend einzurichten … Er wäre ja sonst nicht wert, ein Deutscher zu heißen! So predigt Johanna Just in ihrem Vorwort. Sparsamkeit und Verzicht seien die Gebote der Stunde. Befolgen wir diese Gebote nicht, so sind wir mit daran schuld, wenn unsere Lebensmittel schon vor der nächsten Ernte verbraucht sind und wir dadurch gezwungen werden, uns unseren Feinden zu übergeben! Wer von uns möchte Wohl diese Schuld auf sich laden? Nicht alle Kriegskochbücher stellen sich so offen in den Dienst der Kriegspropaganda und setzen die Zivilbevölkerung unter Druck. Johanna Just, für die es im Krieg nur gut und böse gibt, ist als selbständige Frau gesellschaftspolitisch innovativ und in Ernährungsfragen progressiv. Das zeigt das bereits erwähnte Rezept Gemüseragout, an dessen Ende ein Quellenverweis steht: nach Bircher. Damit ist der Schweizer Arzt Maximilian Bircher-Benner (1867-1939) gemeint. Erstaunlich gut vernetzt war man damals bereits in der Ernährungsszene!

26. Gemüseragout

3/4 Kilogramm Mohrrüben, 1/2 Kilogramm Büchsen-Kohlrabi (im Sommer 3 frische Kohlrabi), 1 1/2 Kilogramm Aepfel, 1 Knolle Sellerie, 2 Petersilienwurzeln, 2 saure Gurken, 7 Eßlöffel Zucker, 3 Eßlöffel Roggenmehl, 1 1/4 – 1 1/2 Liter kochendes Wasser, Salz, Essig nach Geschmack.

Die Gemüse (mit Ausnahme der Büchsen-Kohlrabi), die Aepfel und die Gurken werden in Scheiben geschnitten, in dem gebräunten Zucker angedünstet und mit dem Mehl überstäubt. Das Wasser wird kochend mit Essig und Salz aufgefüllt und das Gericht gar gekocht. Eine Viertelstunde vor dem Anrichten fügt man die Kohlrabi hinzu, läßt das Ragout noch einmal aufkochen und schmeckt es ab. (nach Bircher.)

(Kriegskochbuch der Frauenhülfe, S. 20)

Links: Brandenburgische Frauenhilfe, Frauen.Biographieforschung, Oberstufenzentrum Johanna Just