Kürzlich fand ich dieses Backbuch im Briefkasten. Vielen Dank der lieben anonymen Spenderin!

Das Heftchen ist wunderbar farbenfroh, alt und zerfleddert. Ich fasse es vorsichtig an. Tesafilm hält den Umschlag zusammen. 96 Seiten mit Register wollen Freude am Backen vermitteln. Auf den Fotos der Innenseiten des Umschlags sieht man Fabrikarbeiterinnen am Fließband im Backpulver- und Puddingpulver-Abfüllsaal. Backpulver und Puddingpulver waren die Flaggschiffe der Firma. Die Bilder erinnern mich an Charlie Chaplins Film Modern Times.

Zwischen den Textseiten sind sechs Doppelseiten aus festerem Karton eingebunden mit bunten Bildern von Puddings, Kuchen und Torten. Sie sind römisch numeriert Tafel I – XII.

Das Backheft Backen macht Freude ist undatiert. Eine Jahreszahl lese ich im Anhang. Dort werden Backapparate beworben, die „1925 in der Versuchsküche der Firma Dr. Oetker eingehend geprüft“ wurden (S. 93). Das Heft muss danach entstanden sein. Vermutlich wurde es um 1930 gedruckt. Das liest man auch auf der firmeneigenen Webseite und den Hinweis, dass es die erste Ausgabe – von Auflage kann man hier noch nicht sprechen – des daraus entstandenen gleichnamigen erfolgreichen Backbuchs ist.

Beim Durchblättern stoße ich auf ein Rezept für Kameruner.
Ich kann mich an ein Rezept gleichen Namens erinnern. In Norddeutschland heißen beliebte Faschingskrapfen so. Der Legende nach hat man für deutsche Soldaten in der Kolonie Kamerun haltbares Schmalzgebäck aus Hefeteig gebacken. Mitunter mit Mürbeteig verfeinert. Also eine Art Proviant für die Kolonialsoldaten im Feld. Nachzulesen u.a. bei der Genussregion Oberfranken

Kameruner.
Zutaten zum Teig : 250 g Weizenmehl, 1/2 Päckchen Dr. Oetker’s „Backin“, 25 g Kakao, 125 g Zucker, 1 Päckchen Dr. Oetker’s Vanillinzucker, 2 Eier, 125 g Butter.
Zutaten zum Guß : 125 g Schokolade, 1-2 Eßlöffel heißes Wasser, 20-25 g Kokosfett.
Zubereitung des Teiges : Das mit dem „Backin“ und Kakao gemischte Mehl wird durch ein Sieb auf das Backbrett oder die Tischplatte gegeben und zu einem Kranz auseinandergezogen. In die Mitte gibt man Zucker, Gewürz und die ganzen Eier und verrührt diese mit dem Messerrücken zu einer glatten Masse. Die kalt gestellte Butter wird stückweise hineingepflückt, die Masse mit dem Mehl bedeckt und mit dem Handballen schnell zu einem festen Kloß verarbeitet. Dann rollt man den Teig 1/4 bis 1/2 cm dick aus, sticht Halbmonde ab, die auf gut gesäubertem Blech bei leichter Hitze vorsichtig etwa 20 Minuten gebacken werden. Nach dem Erkalten überzieht man die Plätzchen mit einem Schokoladenguß.
Zubereitung des Gusses : 125 g zerkleinerte Schokolade läßt man mit 1-2 Eßlöffeln Wasser in einem Tiegel über schwachem Feuer zergehen. Zur Erziehlung eines glänzenden Aussehens kann man 20-25g Kokosfett hinzugeben.

Backen macht Freude [um 1930], S.50

Ein Name – zwei Rezepte. Die schmalzgebackenen Faschingskrapfen unterscheiden sich deutlich von den Kamerunern in Backen macht Freude. Beidesmal handelt es sich um Kleingebäck, aber dann hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Dort Hefe- hier Backpulverteig. Statt in der Pfanne mit Schmalz ausgebacken, werden die Bielefelder Kameruner bei leichter Hitze vorsichtig im Ofen gebacken. Das Schmalzgebäck wird allenfalls mit Puderzucker bestäubt, im Gegensatz zum Guß im Dr. Oetker-Rezept. Der auffälligste Unterschied liegt in der Optik. Die Kameruner aus Bielefeld werden mit Kakao und Schokolade zubereitet.

Rezeptnamen sind selten geschützt. Für sie gibt es in der Regel kein Urheberrecht. Interessant für die Sprachwissenschaftlerin ist, wie der Name der beiden Rezepte jeweils zu erklären ist. Auf welcher Motivation die Nomination basiert. Beim ersten Rezept handelt es sich um Kleingebäck für Soldaten in Kamerun. Das zweite lässt sich paraphrasieren mit Kleingebäck, das die Farbe eines Kameruners hat.
Ein großer Unterschied was die Wortbildung angeht und ein Unterschied im Denken. Eine koloniale Geschichte haben beide Namen. Der zweite ist rassistisch.