Oberschwäbisches Kriegskochbuch

zusammengestellt im Bezirk Riedlingen
Der Erlös ist für die hiesigen Lazarette bestimmt
Verlag der Ulrich’schen Buchhandlung Riedlingen
1915
Schrift Fraktur, ca. 11×16 cm, Broschur, Umfang 24 S.
Standort Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Krieg 1914/8725

Das grüne Heft ist in grünen Karton gebunden. Ein schmales Schmuckband umrahmt den Text. Nach Titel und Untertitel folgt nahezu mittig das Eiserne Kreuz mit der Aufschrift W für Württemberg, der Königskrone und der Jahresangabe 1914. Darunter schreitet man wie auf Stufen einer Treppe von Preis zu Zierelement, Verwendung des Erlöses, Zierelement, Verlag, Ort und Jahr. Gestutzt habe ich beim Preis: Laut Umschlag beträgt der 25 Pfennig, laut Titelblatt dagegen 20 Pfennig. Die Ulrich’sche Buchhandlung Riedlingen existiert noch heute. Ihre Bücher sind sicher unmissverständlich ausgepreist.

Auf der Rückseite des Kriegskochbuchs ist eine Werbung für Haushaltswaren der Firma Weck abgebildet. Weck steht dort in serifenloser großer Antiqua, der Rest der Anzeige ist in Fraktur geschrieben. Produktprospekte und Preislisten bekäme man bei den Niederlagen. Niederlage? Der Ort, an dem eine Firma sich niederlegt. Wir sagen heute Niederlassung und lernen so Sprachgeschichte mit Kriegskochbüchern!

Doch nun zum Inhalt: Ein wunderbares Jugendstilfries leitet das Vorwort ein. Im Kontrast dazu steht der Ton des Vorworts. Die eiserne Zeit, in der wir leben, zwingt zu ernstem Nachdenken über Dinge, die man bisher gewohnheitsmäßig hinnahm. Die Auswahl der Nahrungsmittel dürfe nicht mehr ausschließlich Gewohnheit oder Geschmack folgen, sondern die notwendigen Nährstoffe berücksichtigen. Für ein Kriegskochbuch schlägt das Vorwort einen moderaten Ton an und kommt ohne das Wort Krieg aus. Wer für das Heft verantwortlich ist, wird nicht erwähnt, nur dass es mit besonderer Berücksichtigung unseres heimischen Geschmacks zusammengestellt von Meisterinnen der Küche unseres Bezirks wurde. In Riedlingen gibt es seit 1888 einen Frauenverein – vielleicht hat er das Kochbuch initiiert.

Elf allgemeine Ratschläge gehen den Rezepten voraus, z.B.
1. Verwendet Maggi-Präparate!
3. Verwendet Kartoffel-, Kloß-, Nudel- und Gemüsewasser!
7. Verwendet ausgeschossenen Salat zu Gemüse!

und wechselt dann vom Plural zum Singular – vielleicht um persönlicher zu werden:
11. Verwende zu braunen Saucen und zu Kraut nur Roggenmehl.

Keine markierten Kapitel bündeln die Rezepte. Aber inhaltlich gegliedert sind sie sehr wohl. Wie üblich beginnt das Kochbuch mit den Suppen, darunter ist auch eine Weckeiergerstensuppe. Ein langes schönes Kompositum. Bei den Zutaten der Suppe sucht man vergebens nach Gerste – denn an das Getreide erinnert nur die Form der Masse aus Ei und eingeweichtem Brötchen, nachdem sie in sprudelnder Brühe oder Wasser gekocht wurde.

Auf die Suppen folgen Fleischgerichte, die mit einem Rindsbraten beginnen. Ein Stück Fleisch das sicher selten auf den Tisch kam. Weitere Rezepte verkochen Fleischabfälle, Kalbslunge, Kalbsfüße und Ochsenherz. Kriegsgulasch wird aus Kartoffeln und Wurstscheiben zubereitet. Unversehens befinden wir uns bei den Eintöpfen mit und ohne Fleisch. Auch Fischrezepte wie Stockfisch mit Tomaten werden in der Kriegsküche Oberschwabens empfohlen. Die Tomaten sind frisch und nicht aus der Dose. Ob man sie in den heimischen Gärten gezogen hat? Das nachfolgende Rezept heißt Stockfisch oder Schellfisch in brauner Sauce. Es ist bemerkenswert, wenn ein Kriegskochbuch des Ersten Weltkriegs Sauce nicht durch Soße, Tunke oder Beiguß ersetzt. Das waren die üblichen und empfohlenen Ausdücke, um das französische Wort zu vermeiden. Die Verantwortlichen des Oberschwäbischen Kriegskochbuchs hatten offensichtlich die Vorgaben der Sprachpolitik nicht erreicht oder sie waren ihr nicht gefolgt. Und noch eine Anmerkung zur Sprache: Steckrüben heißen im Kriegskochbuch Boden-Kohlraben.

Mitunter wechseln Rezepte und Ratschläge sich ab. Statt des zu erwartenden Pfannkuchenrezepts liest man nur den Tipp, die Hälfte des Mehls durch geriebene gekochte Kartoffeln zu ersetzen. Auch Kuchen, wie z.B. Apfelkuchen, werden allesamt mit Kartoffeln gebacken. Der Mangel an Mehl, vor allem Weizenmehl, wird in dem Kriegskochbuch sehr deutlich. Die armen Schwaben! Sie mussten fast gänzlich auf Kartoffelspeisen ausweichen und hatten für ihre lieben Spätzle und Knöpfle kein Mehl.

Die Sparsamkeit zwang die Köchin im Ersten Weltkrieg auch die Kloßbrühe als Suppe zu verwenden. Hier folgt das Rezept zum Ratschlag Nummer 3 von oben:

Kloßbrüh-Suppe.

1 1/2 Liter Kloßbrühe von Weck- oder Leberklößchen werden mit 1/2 Liter Milch ausgekocht. 2 Eßlöffel Mehl werden mit wenig kaltem Wasser oder Milch angerührt, unter Rühren in die Suppe einlaufen lassen und 1/4 Stunde gekocht. Beim Anrichten gibt man in Fett geröstete Brotwürfel zu.