Kriegskochbuch für die deutsche Hausfrau

unter Zugrundelegung von
„Minna Fischer-Des Arts,
130 Rezepte für die einfachsten Haushalt“
Dr. Else Kesten-Conrad und Klara Briese, geb. Kesten
Jena, Verlag von Gustav Fischer
1915
Schrift Fraktur
12,5 x 19 cm, Broschur, Umfang 75 S.
Standort Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Signatur Krieg 1914/1907

Der graugrüne Papiereinband ist einseitig bedruckt und besitzt eine Leinenoptik. In der unteren Hälfte des Deckblatts sitzt das quadratische Wappen des Gustav Fischer Verlags: ein Fisch mit dem Wahlspruch des Verlags semper bonis artibusImmer den schönen Künsten. Auf der Umschlaginnenseite liest man Anzeigen des Verlags für Publikationen von Dr. Else Kesten(-Conrad), die sich auf der Innenseite des rückwärtigen Umschlags fortsetzen. Hier mit Anzeigen für die Haushaltsführung u.a. dem im Titel zitierten Kochbuch von Minna Fischer-Des Arts. Auf der Rückseite des Umschlags ist die Druckerei angegeben: Kurftl. priv. Hofbuchdruckerei F. Mitzlaffin Rudolstadt.

Der Preis ist nicht angegeben, die Schrift Fraktur. Biografisches habe ich zu Dr. Else Kesten-Conrad und Klara Briese nichts gefunden, aber aus den Anzeigen im Kriegskochbuch kann man schließen, dass Dr. Else Kesten-Conrad sozialpolitisch gearbeitet hat, sie veröffentlichte Bücher: Der Verein für Sozialpolitik und seine Wirksamkeit auf dem Gebiet der gewerblichen Arbeiterfragen (1906), Das Dienstbotenproblem in den nordamerikanischen Staaten und was es uns lehrt (1908) und hielt Vorträge.

Gegliedert ist das Kriegskochbuch wie folgt: Vorwort, Speisezettel (genannt Register), Vorbereitungsregeln, Rezeptteil, Anhang mit thematischen Rezepten (Einmachen, Gebäck, Getränke, Krankenkost), Rezeptregister nach Kapiteln sortiert. Ein systematisches Kochbuch, dem man anmerkt, dass die Verantwortlichen im Bücherschreiben geübt sind.

Nun zum Vorwort. Die Bearbeiterinnen wollen in den Kriegszeiten mit dem Kochbuch der deutschen Hausfrau den Weg zu sparsamer und praktischer Haushaltsführung weisen. Die Rezepte stammen überwiegend von Minna Fischer-Des Arts, der Begründerin und mehrjährige Leiterin der Haushaltungsschule in Jena. 54 Rezepte, die für die gegenwärtige Kriegszeit praktisch erscheinen, wurden ergänzt. Sie sind mit * gekennzeichnet. Bedingt durch die Kriegssituation wurde die Zielgruppe des Kochbuchs geändert. Das Basiskochbuch von Fischer-Des Arts richtete sich an einfachste Familien. Das Kriegskochbuch wird in dieser Notzeit bis hinauf in den Haushalt des gebildeten Mittelstands willkommen sein. Ein erfreulich pragmatisches Vorwort, das auf Kriegspropaganda verzichtet, seine Quelle offenlegt und die Zielgruppe benennt.

Der Speisezettel nennt sieben Menüfolgen für jeden Monat, z.B.

Januar.
 1. Rindfleisch mit Kohlrüben und Kartoffeln.
 2. Gebratene Kaninchen mit Kartoffelbrei.
 3. Salzfleisch mit Sauerkraut und Kartoffeln in der Schale.
 4. Brotsuppe. Heringskartoffeln.
 5. Erbswurst mit Speck und Kartoffeln.
 6. Beefsteak und Kartoffelbrei.
 7. Gekochter Stockfisch mit Senfsauce und Salzkartoffeln.

Kein Tag ohne Kartoffeln. Die folgenden Vorbereitungsregeln empfehlen Sauberkeit in der Küche und geben Tipps u.a. zur Fettherstellung und Bevorratung. Als Fett wird Rüböl empfohlenen, dass nach dem Erhitzen mit einem Kartoffelschnitz schmackhaft wird: Wir kennen es heute unter dem Namen Rapsöl.

Im Rezeptteil werden die Menüvorschläge des Speisezettels erläutert von 1. Rindfleisch mit Kohlrüben (Steckrüben) und Kartoffeln bis 90. Salzheringe. Kartoffeln in der Schale mit Specksauce. Stärkepudding mit Fruchtsaft. Interessanterweise wird Sauce französisch geschrieben – das war im Ersten Weltkrieg verpönt. Neben den bereits erwähnten Kartoffeln, werden vereinzelt Reis, Makkaroni, Spätzle angeboten. Als Gemüse sind Kohlsorten beliebt, Bohnen, Linsen, Erbsen und Steckrüben; aber auch Stielmus, Mairübchen, Spinat, Tomaten sind belegt. Fleisch liefern Schwein, Rind, Hammel, Kaninchen. Hering, Stockfisch, Schellfisch sorgen für Fischeiweiß. Geflügelrezepte habe ich nicht gefunden im Kriegskochbuch. Auch nicht in der Krankenkost. Das ist verwunderlich. Vielleicht gab es ein eigenes Geflügel-Kriegskochbuch? Geflügel- und Kleintierzucht waren beliebt im Ersten Weltkrieg, sie ermöglichte Selbstversorgung.

Die Rezepte sind übersichtlich gesetzt und trennen die abgemessenen Zutaten von dem Zubereitungstext. In der Regel wird für zwei Personen gekocht, nur gelegentlich heißt es wie z.B. beim Krautbraten für 8-10 Personen.

Das Beispielrezept ist herbstlich:

Nr. 60. Schweinefleisch mit Birnen und Kartoffeln für 2 Personen.

3/10 Pfd. = 150 g. Schweinefleisch (Kamm-, Bauch- oder Bruststück), 2 Eßl. Fett, 1/2 – 3/4 l kochendes Wasser zum Braten des Fleisches, 1 1/2 Pfd. Kartoffeln, 1 Mdl. oder 2 Pfd. große, gute Birnen, 4 Gewürzkörner, 2 Lorbeerblätter, 1 Stückchen Zimt, 1 reichliche Prise Salz und Pfeffer, 1 Eßl. Mehl zur Sauce, 2 Eßl. Wasser zum Anrühren des Mehles, 2-3 Eßl. Essig, 1 Eßl. Zucker.

Man gibt 2 Eßl. Fett in den Tiegel und wenn es kocht, das geklopfte, gewaschene Schweinefleisch in die Mitte desselben; rund herum, abwechselnd, die ungeschälten, in die Hälfte geteilten, sauber gewaschenen Birnen mit Stiel, und die geschälten, in große Stücke geschnittenen Kartoffeln, dazu Pfeffer und Salz, Gewürzkörner, Lorbeerblätter und 1 Stückchen Zimt. Ist das Fleisch von beiden Seiten gut angebraten, schiebt man einige Kartoffeln darunter, damit es nicht trocken wird; sind auch die Kartoffeln angebräunt, was etwa 20 Min. dauert, gießt man nach und nach das kochende Wasser hinzu, während man Fleisch, Kartoffeln und Birnen öfter wendet. Der Tiegel darf nur zur Hälfte mit Wasser gefüllt fein; man deckt eine Schüssel oder einen Teller darüber und läßt das Gericht zugedeckt 1 1/4 – 1 1/2 Stdn. dünsten; dann muß die Sauce ziemlich eingekocht und braun sein. Zuletzt gibt man Essig, Zucker und das angerührte Mehl hinzu und läßt alles zusammen noch einige Minuten kochen. Zeitdauer der Zubereitung: 2 Stdn.

Kriegskochbuch von Dr. Else Kesten-Conrad und Klara Briese, S. 39 f.