Kriegs-Kochbüchlein

von Frau Wentz
Kommissionsverlag der Druckerei
der Straßburger Neuesten Nachrichten A.G.
Straßburg im Elsaß
1915
Schrift Fraktur
13,5 x 20,5 cm, Broschur, Umfang 27 S.
Standort: Privatbesitz

Das dünne Kriegskochbuch ist in einen hellgrauen Umschlag geheftet. Zwei zarte, sparsam geschmückte Linien zieren und strukturieren das Deckblatt. Das rückwärtige Deckblatt und die Innenseiten sind unbedruckt. Die übersichtlich gestalteten Seiten sind in Fraktur gedruckt. 20 Pfennig ist der Einzelpreis – wie viel es bei Abnahme eines Vielfachen gekostet hat, erfährt man nicht.

Wer ist Frau Wentz? Ihrem Vorwort kann man entnehmen, dass sie bereits ein anderes Kochbuch verfasst hat. Das Kochbuch für Schule und Haus, erschienen 1914. Laut Titelblatt dieses Kochbuchs war sie Vorsteherin der städtischen hauswirtschaftlichen Fortbildungsschule in Straßburg im Elsaß. Mehr habe ich über Frau Wentz und die Schule nicht in Erfahrung bringen können.

Die Gliederung des Kriegskochbüchleins ist so übersichtlich wie sein Inhalt: Vorwort, 14 Leitsätze, Aufbau und Handhabung der Kochkiste, 21 Seiten Kochrezepte und zum Schluss ein Speisezettel für 14 Tage. Das nüchterne Kochbuch kommt ohne Propaganda aus. Aber dass Frau Wentz bereits Autorin eines Schulkochbuchs war, hört man ihren einleitenden Worten im Vorwort an:

Die durch den Krieg bedingten Veränderungen und Beschränkungen in unserer Ernährungsweise haben das Bedürfnis hervorgerufen, den Hausfrauen in Stadt und Land eine leichtverständliche Anleitung zu geben, wie sie in Anpassung an die veränderten Verhältnisse die richtige Auswahl, Zusammenstellung und Verwendung der zu Gebote stehenden Nahrungsmittel mit zweckdienlicher Sparsamkeit vornehmen können. 

Soso, leichtverständlich will Frau Wentz formulieren … Didaktik stand offensichtlich nicht im Mittelpunkt der Ausbildung zur Hauswirschaftslehrerin. Schaun wir uns die 14 Leitsätze an. Sie geben Ratschläge für das Kochen in Zeiten des Nahrungsmittelmangels und referieren die Ernährungstheorie der Zeit. Der erste Leitsatz lautet:

1. Die Kriegszeit hindert uns nicht, die für unsere Gesundheit wichtige Abwechslung in die Kost zu bringen.

Unwillkürlich denkt man an das Stilmittel variatio delectat und unterstellt heimlich, der Satz ziele auch auf das Gemüt. Doch der zweite Leitsatz zeigt, dass die bereits notierte Nüchternheit eindeutig überwiegt:

2. Die uns zu Gebote stehenden Nahrungsmittel enthalten alle Stoffe, die unser Körper erfordert, wenn wir sie richtig zubereitet in uns aufnehmen.

Auf den folgenden Seiten gehen die Ratschläge ins Detail: Fleisch ist ungesund, Fische sind billig, Milch wichtig, Zucker kein Luxus, sondern in fettarmen Zeiten ein wichtiger Bestandteil der Ernährung usw. Der letzte Leitsatz empfiehlt die Benutzung der Kochkiste und leitet das gleichnamige Kapitel ein.

Die Kochrezepte gliedern sich in sechs nummerierte Kapitel mit kapitelweise nummerierten Rezepten: 14 Suppen, 25 Fleischspeisen, 7 Fische, 19 Gemüse- und Kartoffelspeisen, 13 Mehl- und Milchspeisen und 3 Rezepte unter Verschiedenes. Man merke: Zuviel Fleisch ist zwar laut Leitsatz 3 ungesund, Fleischspeisen spielen aber trotzdem die herausragende Rolle im Rezeptekanon. Eine übersichtliche Rezeptsammlung, die das Nötigste zusammenstellt.

Wie in modernen Kochbüchern damals üblich, sind die Zutaten von dem Zubereitungstext getrennt. Die Mengen der Zutaten werden in Pfd., g, Eßl., l[iter], Tasse, Kaffeel., Stück, Stückchen und Prise gemessen. Das dünne Heftchen endet mit einem für die Kochbuchsorte üblichen Speisezettel für 2 Wochen. Acht Mal gibt es Fleisch oder Wurst, zwei Mal Fisch, die restlichen vier Mahlzeiten sind vegetarisch. Die Liste beginnt mit Montag: Erbsensuppe, Kartoffelküchle, Salat. und schließt mit Sonntag: Haferschleimsuppe, Schweinekotelett, Bodenkohlraben. Bodenkohlraben sind Steckrüben. Im Speisezettel kommen sie nur einmal vor. 1917, im Steckrübenwinter, waren sie für viele Hungernde die zentrale Speise.

Das Rezept aus dem Kriegskochbüchlein von Frau Wentz entnehme ich dem Gemüsekapitel. Es zeigt, wie ökonomisch die Rezepte damals formuliert wurden und dass Gemüse nicht nur auf dem Markt gekauft wurde:

10. Spinat.

Spinat, Wasser, 1 1/2 Eßl. Salz, 1 Eßl. Fett, 2 Eßl. Mehl, Salz, Pfeffer, 1/2 Zwiebel, 1/2 Tasse Wasser. Der Spinat wird verlesen, gewaschen, in kochendes Salzwasser gegeben und in offenem Topfe weichgekocht. Alsdann wird er abgeschüttelt, mit kaltem Wasser abgeschreckt, leicht ausgedrückt und verwiegt. In dem heißen Fett werden Mehl und Zwiebeln hellgelb gedämpft. Nun gibt man den Spinat mit Salz, Pfeffer und Wasser zu und läßt es noch kurz mitdämpfen.

Auf dieselbe Art können Wirsing, junge Brennessel, Mangold, Weißkraut, Winterkohl, Kopfsalat, Sauerampfer und Kohlrabenblätter zubereitet werden.

Kriegs-Kochbüchlein von Frau Wentz, S. 19