1907 erschien die Erstauflage des „Kochbuch für die Tropen“ von Antonie Brandeis und bereits 1913 die „zweite durch über 200 Rezepte vermehrte Auflage“. Für die Neuauflage schreibt die Autorin ein Vorwort. Zuerst gibt sie ihrer Freude Ausdruck, dass ihr Kochbuch Erfolg hat.

Dann rät sie den „jungen Kolonistinnen“ vor dem Übersiedeln kochen zu lernen. In jeder Stadt gäbe Haushaltungsschulen, am besten wäre es aber auf einem größeren Landgut, dort ähneln die Verhältnisse denen in über See.

Ihr nächstes Thema ist die Gesundheit. Ein Dauerbrenner für Kolonistinnen und Kolonisten, …

… denen das ungewohnte Klima zu schaffen macht. Brandeis weist darauf hin, wie wichtig eine gute Ernährung für die Gesundheit ist.

Zum Schluss bedankt sich Antonie Brandeis bei denen, die sie durch Zusendung von Rezepten unterstützt haben. Namentlich erwähnt sie:

Frau von Boxberger, Daressalam

Frau Parkinson, Neu-Guinea

Frau Deeken, Samoa

Frau Rattazzi, Freemantle

Herr Freundlich, Java

Herr Faßbender, Neu-Pommern

Max Freiherr von Stetten, Kamerun

Wie meine bisherige Suche zeigt, verbirgt sich hinter diesen Namen nahezu das ganze deutsche Kolonialreich.

Die genannten Frauen habe ich – bis auf eine – über die Namen ihrer Ehemänner gefunden. Wen wundert’s.

Frau von Boxberger, Daressalam
Hierbei handelt es sich vermutlich um die Ehefrau von Leo von Boxberger (5.9.1879 Schenklengsfeld, Kr. Hersfeld – 15.4.1950). Er war promovierter Jurist, Autor und Ornithologe. Mit 28 Jahren wurde er 1907 Bezirksrichter in der deutschen Kolonie Ost-Afrika, heute Tansania. Daressalam ist die größte Stadt Tansanias. 1914 ging er als Resident [Gesandter] nach Kamerun.

Frau Parkinson, Neu-Guinea
Phebe Parkinson war die Tochter eines Amerikaners und eine Prinzessin von Samoa (5. Juni 1863 auf Savai’i – 28. Mai 1944). Sie war eine eindrucksvolle, prägende Frau in der Kolonialzeit Neuguineas, wie u.a. ein eigener Wikipediaeintrag belegt. Verheirat war sie mit Richard Parkinson (dt. Südseeforscher und Autor).

Frau Deeken, Samoa
Elisabeth Deeken, geb. Boese, war die Ehefrau von Richard Deeken (16.6.1874 in Westerstede – 28.8.1914 gefallen). Der weitgereiste Offizier begeisterte sich für Samoa, gründete 1902 die Deutsche Samoa-Gesellschaft (DSG, eine Aktiengesellschaft zum „Zwecke des Kakaoanbaus“).
Seine rücksichtslose Haltung gegenüber den Kolonisierten auf Samoa ist Ursache eines langjährigen Konflikts mit Gouverneur Wilhelm Solf.
Aus gesundheitlichen Gründen zog Deeken zurück nach Deutschland. Er schrieb, hielt Vorträge und gründete die Forst- und Kolonialschule Miltenberg/Main. Das Ehepaar Deeken hatte sechs Kinder.

Frau Rattazzi, Freemantle
Hier ist die Beleglage unsicher. Ich vermute, dass es sich um die Ehefrau von Carl Peter Ludwig Ratazzi handelt. Ratazzi wurde 21.9.1865 in Frankfurt am Main geboren und arbeitete ab 1900 für die Norddeutsche Lloyd NDL und ließ sich in Fremantle, einer Stadt an der Westküste Australiens nieder.

Freundlich, Java
Java war bis 1949 niederländische Kolonie. Über „Herrn Freundlich“ war bisher nichts in Erfahrung zu bringen.

Faßbender, Neu-Pommern
Fritz Faßbender war „Pflanzassistent bei der NGC [Neuguinea Companie]“. Die deutsche Kolonie Neu-Pommern heißt heute Neubritannien; sie ist eine Insel im Bismarck-Archipel.

Max Freiherr von Stetten, Kamerun
Er wurde 26.5.1860 in Nürnberg geboren. 1891 ging er als Offizier nach Kamerun, war dort an „militärischen Expeditionen“ beteiligt und Komandeur der Schutztruppe. Seine Reiseberichte von Kamerun veröffentlichte er im Deutschen Kolonialblatt. Er starb 24.2.1925 in München.

In der Dankesliste von Antonie Brandeis fehlen nur Namen aus Namibia (Deutsch-Südwest) und Togo (Deutsch-Westafrika). Alle anderen deutschen Kolonien des Kaiserreichs sind vertreten. Die deutsche koloniale Community war klein. Man kannte einander. Interessant ist, dass keine Ehefrau eines Missionars von Antonie Brandeis in ihrem Dank erwähnt wird.
Sie beendet ihr Vorwort mit dem Wunsch, dass

„das Buch immer unseren Kulturpionieren zum Nutzen werde, denn nirgends mehr als bei der Kochkunst gilt der Grundsatz varatio delectat, und nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist!“


Das entsprach dem Selbstverständnis der Kolonisten: Sie sahen sich als Kulturpioniere. Ich finde bemerkenswert, wie dieses Vorwort eines Kochbuchs eine Lehrstunde in deutschem Kolonialismus erteilt.

Kochbücher erzählen Geschichte(n).

Quellen: u.a. Biografisches Handbuch Deutsch-Neuguinea (2002), Die Tagebücher der Johanna Diehl (2005), https://frachtdampferfuerth.com/tag/peter-kiel/, Luscinia 1950/51 (Leo von Boxberger, Nachruf), Wikipedia.