Einmachkochbuch für die Kriegszeit
von Marie Buchmeier
Herrschaftsköchin
Druck und Verlag von Josef Habbel, Regensburg
o.J.
Schrift Fraktur
11,5 x 17 cm, Broschur, Umfang 64 S.
Standort Staatliche Bibliothek Regensburg
Signatur Hab. 1156
Farblos ist der Umschlag des Einkochbuchs und nahezu schmucklos. Von vorne und hinten. Weder Entstehungsjahr noch Preis ist notiert. Die Schrift ist Fraktur. Es ist das zweite Kriegskochbuch von Marie Buchmeier, das hier vorgestellt wird. Ihre Vita ist nachzulesen unter Kriegskochbüchlein Marie Buchmeier. Die alte Dame war eifrig, hatte Zeit und war routiniert. Offensichtlich hatte sie auch Erfolg mit den kleinen Rezeptheften im Krieg. Und weil sie sich Ihrer Sache sicher war … wurde sie auch ein wenig nachlässig. So deute ich den einleitungslosen und unmittelbaren Beginn des Büchleins mit drei Anleitungen zum Konservieren: Das Trocknen von Obst (Kirschen, Heidelbeeren, Birnen, Äpfel, Zwetschgen), Getrocknete Schwämme und Herrenpilze im Dunste oder sterilisiert. Sie stehen ein wenig verloren rum, diese drei Rezepte. Ab Seite 5 beginnt der nummerierte Rezeptteil mit Erdbeerrezepten und endet mit dem Rezept 164. Eingemachte Perlzwiebeln. Die Gliederung der Rezepte folgt keiner Systematik: erst viel Obst, am Ende ein wenig Gemüse und zwischendrin gebündelt Saftrezepte. Das Büchlein schließt mit einem Register, das auch die unnummerierten ersten drei berücksichtigt. Titelblatt, Rezepte, Register: Das war’s. Für eine Einleitung oder ein Grußwort an die Leserin war keine Zeit.
Allein der Titel des Kochbuchs Einmachkochbuch für die Kriegszeit macht aus einer Sammlung von Rezepten ein Kriegskochbuch. Der Inhalt bestätigt das – aus meiner Sicht – nicht. Kein Hinweis auf’s Sparen, keine Ersatzstoffe, kein Hinweis auf zu verwertendes Fallobst, kein Mangel an Einmachgut. Es beginnt mit Erdbeeren, dann folgen Johannis-, Him-, Heidel-, Preiselbeeren. Auch Pflaumen, Quitten, Kürbisse werden verarbeitet. Soweit erwartbar. Nun schließen zu meiner Überraschung Pfirsichrezepte an, später kommen auch etliche für Melonen, Ananas, Zitronen, Edelpflaumen (Reneclauden) und Paradisäpfel (Tomaten). Südliche Früchte, die ich in einem Kriegskochbuch aus dem Ersten Weltkrieg in der Ostbayern nicht erwartet hätte. Buchmeier hat offensichtlich ihre Einmachrezepte mit einem neuen Aufkleber versehen. Sicher hatte die Herrschaftsköchin Marie Buchmeier diese Früchte zu Verfügung, als sie in Stellung bei Landadeligen und großbürgerlichen Familien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war. Wo aber kamen diese Zutaten zu Zeiten der Handelsblockade während des Krieges her?
Nach den Südfrüchten folgen Berberitzen, Hagebutten, Hollunder- und Vogelbeeren, Kerbelrübchen. Früchte und ein Gemüse, die heute wiederentdeckt werden, aber viele Jahrzehnte aus den Küchen verschwunden waren. Ich frage mich, ob Buchmeier angesichts der Notzeit alles, was nur irgendwie verwertbar war, konserviert hat oder ob das ihre feine abwechslungsreiche Küche auch in guten Zeiten war. Kerbelrübchen, die sie auch Zuckerrübchen nennt, kennt die online Enzyklopädie Wikipedia unter dem Namen Knolliger Kälberkropf. Es sei ein seltenes Feinschmeckergemüse. Kein Kommentar Buchmeiers hilft weiter.
Das Einmachkochbuch für die Kriegszeit lässt viele Fragen offen. Die Autorin präsentiert Teile ihres reichen exklusiven und traditionellen Rezeptschatzes unter neuem Etikett ohne sie ins Zeitgeschehen einzuordnen. Kriegsrezepte sind ein Verkaufsschlager.
Das Beispielrezept steht zwischen 134. Vogelbeersülze und 136. Kerbelrübchen es ist die:
Dank dem kundigen Leser F.M aus München konnte meiner Ahnungslosigkeit geholfen werden: Gemeint ist der Zwerg-Holunder oder Attich (Sambucus ebulus). Vielen Dank! Warum aber die eingekochte Sülze Andechsülze heißt und ob sie etwas mit Kloster Andechs zu tun hat – das weiß ich nicht.