So machne lässt sich wöchentlich mit einer bunten Auswahl jahreszeitlicher Gemüse und Salate beliefern und freut sich über diese Kochkiste. Andere verstehen unter Kochkiste ein praktisches Küchenmöbel, das seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert vielfach propagiert wird. Dazu habe ich im Januar 23 einen Blogbeitrag geschrieben. Nun ist in der Ausgabe 36 des journal-culinaire meine Rezension zu einem neuen Kochbuch erschienen. Hier nachzulesen:

Margot Fischer

Kochen in der Kiste.
Der energiesparende und entspannte Weg zu köstlichen Gerichten

Mit Illustrationen von Raja Schwahn-Reichmann und Fotos der Autorin

Mandelbaum Verlag, Wien – Berlin 2023,
gebunden, 144 Seiten,
zahlreiche Abbildungen, 12 × 22 cm,
20 Euro

Bekanntlich ist die Küche der wärmste Ort im Haus, denn dort wird gekocht. Beim Kochen mit der Kiste ist das anders – kein Herd, auf dem Töpfe stundenlang dampfen, kein Backofen, in dem eine Kasserolle Duft im Haus verbreitet. Das Essen schmort von Isolationsmaterial umgeben im eigenen Saft. Wenn die Sinne beim Garen ausgesperrt sind, muss man die Köchinnen und Köche motivieren: »Herzlichen Glückwunsch! Sie sind dabei, die nachhaltigste und dabei bequemste und sparsamste aller Kochtechniken zu entdecken« (S. 9). Die Autorin propagiert eine Garmethode, bei der das Kochgut nach dem Ankochen in einer wärmeisolierten Kiste gart. Die Kochkiste nutzt die Speicherwärme des heißen Kochguts ohne weitere Wärmezufuhr. Sie eignet sich besonders für die Zubereitung von Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Reis, Getreide und Fleisch. In einem ausführlichen historischen Abriss kann man die Zeugen dieser Gartechnik weit zurückverfolgen. »Archäologische Funde zeigen, dass unsere Vorfahren bereits in der Steinzeit ihre Nahrungsmittel mit Gras oder Blättern umhüllt in mit Erde bedeckten Gruben auf Glut oder heißen Steinen langsam garen ließen« (S. 10). Dass sich die Speicherwärme nicht aus dem Kochgut, sondern aus den heißen Steinen speist, zeigt, wie fließend die Grenzen der verschiedenen Garmethoden sind. Eine lange Tradition hat das »sich selbst kochende Essen« im orthodoxen Judentum, wo während des Sabbats nicht gekocht wird. Die Folge sind Gerichte wie z. B. Tscholent und Adafina, deren Zubereitung im Rezepteteil nachzulesen ist. Die Geschichte der Kochkiste nimmt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Fahrt auf. Als »cuisine automatique norvégienne« wird sie bei der Pariser Weltausstellung 1867 präsentiert. Über Hauswirtschaftsschulen und Kochkistenkurse breitete sich die Kochmethode in Europa rasch aus. Beworben wurde sie vor allem wegen ihrer praktischen Vorteile: Morgens konnte die Bäuerin oder Arbeiterin das Essen ankochen, dann aufs Feld oder in die Fabrik gehen, mittags war das Essen fertig. Im Ersten Weltkrieg galt die Kochkiste als Waffe der Hausfrau, mit der sie energiesparend die – wahlweise englischen, französischen und deutschen – Soldaten in der Küche unterstützen sollte. 1926 baute Margarete Schütte-Lihotzky eine Kochkiste in ihre Frankfurter Küche ein, um berufstätigen Frauen die Doppelbelastung zu erleichtern. Die Vielzahl der historischen Belege ist beeindruckend. Gerne würde man erfahren, welche Quellen Fischer benutzt hat.

Nach der Geschichte folgt das DIY-Kapitel. Im Gegensatz zur Frankfurter Küche besitzen die modernen Küchen keine eingebaute Kochkiste. Fischer stellt acht unterschiedlich aufwendige bis einfache Möglichkeiten vor, eine Kochkiste herzustellen: von der mehrseitigen Bauanleitung bis zur Kissenvariante. Anschließend wird die Handhabung mit einer Kochzeitentabelle erklärt und das passende dickwandige Kochgeschirr empfohlen.

Es folgen über einhundert Rezepte, die in vier Kapitel aufgeteilt sind: Frühstück, Snacks und Vorspeisen – Suppen & Eintöpfe – Hauptspeisen – Naschkatzen. Sie sind international, wobei die österreichische Küche immer wieder durchscheint. Das sind die Autorin und der Wiener Verlag sich schuldig: Hummus, Tempeh, Bergheusuppe, Gulaschsuppe, Chili sine Carne, Cassoulet, Koshari, Selchfleisch mit Sauerkraut und Semmelknödel.
Mit dieser bunten Auswahl führt sie zum Eigentlichen hin: der Methode. Diese beim Lesen der Zubereitung transparent zu machen, gelingt nicht immer. Hilfreich wären praktische Hinweise wie »Kochkiste mit zwei Töpfen« bei Fischfilet in Weißwein, Gefüllte Hühnerbrust und Gefüllte Lammkeule mit Pastinakenpüree und Rosmarinpolenta gewesen.

Von der alten Garmethode den Staub wegzupusten, ist ein sehr lobenswertes Unterfangen, das durchweg gelungen ist. Die Empfehlungen zu Biolebensmitteln, regionalen Zutaten, Pflanzenmilch, alkoholfreiem Bier und manche Spartipps schießen über das Ziel des Kochbuchs hinaus. Der Bildteil ist nicht überzeugend, das tut der Sache aber keinen Abbruch.

Zurück zum Untertitel: Der energiesparende und entspannte Weg zu köstlichen Gerichten. Als Vorteil der Kochkiste steht das Energiesparen außer Zweifel. Dass das Kochgut unbeaufsichtigt garen kann, schafft Freiheit für andere Tätigkeiten oder Faulsein – ein Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist und die Hektik aus der Küche vertreibt. Ob man freilich mit der Kochkiste auch »köstliche Gerichte« zubereiten kann, davon möchte die Rezensentin noch überzeugt werden. Sie probiert es mit dem Rezept für Ossobuco – nach zwanzig Minuten Ankochzeit soll es fünf Stunden in der Kochkiste ruhen.

Kochkiste DIY
Styroporkiste, Federbett
Hier garen Pellkartoffeln.