Rheinische Küche in der Kriegszeit

herausgegeben von M. Schneider, Hauswirtschaftslehrerin
der städischen Haushaltungsschule in M. Gladbach
Im Auftrage des städischen Hilfsamtes und der Nationalen Frauenvereinigung von M. Gladdbach
Zweite Auflage. Viertes Tausend.
M. Gladbach Volksvereins-Verlag GmbH
1916
Schrift Fraktur
ca. 10,5 x 16 cm, Broschur, Umfang 52 S.
Standort Stadtbibliothek Mönchengladbach / Bibliothek des Volksvereins für das katholische Deutschland
Signatur Pha (2) 36 a

Der leuchtend orangefarbene Karton des Umschlags ist heute verblasst. Eine Rübe und ein horizontaler Balken strukturieren und schmücken die schlichte Vorderseite. Das in Fraktur gedruckte Kochbuch kostete 20 Pfennig. Es ist bereits das zweite von ResteFerwertung vorgestellte Kriegskochbuch, das im Verlag des Volksvereins für das katholische Deutschland erschien. Umschlaggestaltung und Titel von Rheinische Küche in der Kriegszeit und Norddeutschen Küche in der Kriegszeit sind analog gestaltet und formuliert – aber Aufbau und Inhalt folgen keinem gemeinsamen Schema. Es sind zwei verschiedene Kochbücher. Wer mehr über die Geschichte des sozialpolitisch ausgerichteten Vereins (1892 – 1933) erfahren möchte, folge dem genannten Link oder sei auf die Bibliothek des Vereins verwiesen. Sie gehört heute zum Bestand der Stadtbibliothek Mönchengladbach.

Laut Titelblatt hat M. Schneider, Hauswirtschaftslehrerin an der städischen Haushaltungsschule in M. Gladbach das Kriegskochbuch herausgegeben. Die Bildungseinrichtung existiert noch heute unter dem Namen Maria-Lenssen Berufskolleg. Die Schule und das neu sanierte Gebäude erinnern an die erfolgreiche Geschichte der Frauenbildung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.

Die Kriegspropaganda des Kochbuchs erinnert wiederum an die hässliche Seite dieses Zeit:

Deutschland steht gegen eine Welt von Feinden, die es vernichten wollen. Es wird ihnen nicht gelingen, unsere herrlichen Truppen niederzuringen, aber sie wollen uns wie eine belagerte Festung aushungern. (...) Spaten und Kochlöffel, sagt Prof. Dr. Faßbender, sind zwei Dinge, die eine nicht geahnte Bedeutung gewonnen haben: Der Spaten zur Schaffung der Schützengraben, der Kochlöffel in der Hand der überlegenden Hausfrau im Kampf gegen den Aushungerungsplan Englands. (...) Haltet darum haus mit allen Nahrungsmitteln, besonders mit dem Brot, damit die Hoffnungen unserer Feinde zuschanden werden. 

Daran schließen sich die üblichen Ratschläge für sparsame Haushaltsführung an: Brot sparsam verwenden, wenig Mehl, Kartoffeln nicht schälen, Abfälle sind Viehfutter, Mager- und Buttermilch verwenden, Fleischgenuss einschränken, täglich eine Gemüsehauptmahlzeit, Fett sparen, für Salate statt Öl Rahm oder Buttermilch verwenden, Butter durch Magerkäse, Gelees, Marmelade ersetzen, Brennmaterial und Petrolium sparen, Kochkiste gebrauchen.

Die Gliederung des Kochbuchs ist eigenwillig. Nach der Einleitung folgt ein umfangreiches Kapitel Speisezettel für 50 Mittagessen, abwechselnd Fleisch- und Fastengerichte. Es enthält Vorschläge für Speisefolgen mit Zutaten und Preisen – aber ohne Zubereitung! So liest man unter der Nr. 50:

Suppe von Augumamehl mit Sago, Kaninchenpfeffer und Kartoffeln: 
1 1/2 Liter Wasser, 3 Eßlöffel Augumamehl, Suppengrün M 0,12 
2 Eßlöffel Sago, 1/2 Eßlöffel Salz, 20 Gramm Sanella M 0,06
1/2 Kopf, Vorderläufe, Lunge, Herz, Magen, Leber, Bauchlappen (Essig, Gewürz) M 0,62
30 Gramm Fett, Zwiebeln, 1 1/2 Eßlöffel Mehl, Wasser, Salz, Pfeffer, Essig M 0,08
2 1/2 Pfund Kartoffeln, Salz M 0,15
Summe: M 1,04

M 0,12 am Ende der ersten Zeile bedeuten: Mehl und Suppengrün kosten zusammen 12 Pfennige. Diese Art Rezepte zu formulieren ist nicht besonders benutzerfreundlich. Da muss man sich einlesen! Außerdem stutze ich beim Augumamehl. Was ist das? Ab der Mitte des Heftchens folgt der zweite Teil des Kriegskochbuchs mit Zubereitungen und da finde ich im Kapitel Die Herstellung guter Suppen neben Sauerampfersuppe auch das Gesuchte: Suppe aus Augumamehl. Ersatz für die jetzt teuren Hülsenfrüchte bietet uns das aus der Sojabohne gewonnene Augumamehl. Es folgen die Kapitel Das Fleisch und Fleischersatz, Die Fische, Eier, Gemüse und Kartoffeln und zum Schluss Billige süße Speisen. Bei dem Rezept Gemischtes Gemüse werden junge Sprossen und Blätter von Grünkohl, Holunder, Brennesseln, Löwenzahn und Sauerampfer zusammen gekocht und feingehackt. Eine Freude für Anhänger von leaf to root! Ebenso wie Eier in Sauerampfertunke. Zum Schluss der Buchvorstellung ein Rezept aus dem Kapitel Fleisch und Fleischersatz, eine Spezialität der rheinischen Küche in einer Version aus dem Ersten Weltkrieg:

Panhas.

Fett läßt man heiß werden und röstet ein Zwiebelchen darin. Wurst-, Knochen-, Speckbrühe oder Brühe von gesalzenem Fleisch gießt man hinzu und würzt mit Salz, Pfeffer und einer Messerspitze Nelkenpfeffer. Kocht die Brühe geben wir, Grieben vom Ausbraten des Fettes, Fleischreste oder in Ermangelung kleingeschnittene Wurst und unter beständigem Rühren das Buchweizenmehl oder Mischmehl hinein und lassen es so lange kochen, bis sich die Masse vom Topf löst. Wir geben den Panhas zum Erkalten auf eine Schüssel und schneiden fingerdicke Scheiben davon; die wir in Fett schön knusperig auf beiden Seiten braun braten. Noch besser ist es, wenn wir den Panhas einige Tage stehen lassen und erst dann braten. Zum Rotkohl. Sauerkraut, Kartoffelsalat und gestovten* Kartoffeln ist er eine wohlschmeckende, billige Beilage.

Rheinische Küche in der Kriegszeit, S. 38f

*gestovte = gekochte