Kriegskochbuch

herausgegeben von der Stadtverwaltung Stuttgart
Vorwort von Frau Dr. E. Ingelfinger
Rezepte vom Schwäbischen Frauenverein
Verlag von Hermann Wildt, Kgl. Hofbuchhändler
im Großen Bazar, Stuttgart, Königstraße 38
Druck von Greiner & Pfeiffer,
Kgl. Hofbuchdrucker, Stuttgart
undatiert
Schrift Fraktur
ca. 10×17 cm, Broschur, Umfang 48 S.
Standort Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Signatur Krieg 1914/5634

Auf dem vorderen Umschlag des jägergrünen Büchleins prangt das Eiserne Kreuz mit der Jahreszahl 1914 wie schon beim Oberschwäbischen Kriegskochbuch. Das Buch ist in Fraktur gedruckt und kostete 20 Pfennig. Auf der Rückseite wird für die wöchentlich erscheinende Illustrierte Geschichte des Weltkriegs 1914/15 geworben. Demnach ist das Kriegskochbuch vermutlich 1915 erschienen.

Mitten im Krieg nimmt sich der Schwäbische Frauenverein Zeit, ein strukturiertes modernes Kriegskochbuch zu schreiben. Alle Achtung. Was ist das für ein Verein? Er wurde 1873 gegründet und ist heute Träger des Schulzentrums Silberburg in Stuttgart. Die Vereinsgeschichte ist eine Geschichte der beruflichen Frauenbildung im 19. und 20. Jahrhundert. Zurück zum Kriegskochbuch: Es beginnt mit einem gegliederten Inhaltsverzeichnis Suppen – Soßen – Gemüse – Eintopfgerichte – Fische – Fleischspeisen – Verwenung von Fleischresten – Mehlspeisen usw. – Kompott. Gebäck gibt es (wie häufig in Kriegskochbüchern) nicht. Der Prolog ist vierteilig und umfasst die Abschnitte Zur Kriegsernährung – Die Auswahl der Nahrungsmittel – Die Zubereitung der Nahrung – Vom Essen. Er wurde laut Titelblatt von Frau Dr. E. Ingelfinger verfasst. Sie unterschreibt schlicht mit E. Ingelfinger. Im ersten Abschnitt stimmt sie die Leserinnen mit Kriegspropaganda ein:

Aushungern möchten uns die Feinde, sie hoffen uns dadurch niederwerfen zu können, durchhalten muß unser Volk, wir zu Hause so gut wie unsere tapferen Truppen im Feindesland. Ein verhältnismäßig kleines Opfer fordert das Vaterland von uns: wir brauchen nicht zu hungern, wir sollen uns nur in der Ernährung den Verhältnissen anpassen. 

Im nächsten Abschnitt teilt sie die Nahrungsmittel ein:

Eingeschränkt werden muss der Verbrauch von: Kaffee, Tee, Kakao, Kalbfleisch, Weizenmehl, Linsen, Erbsen, Bohnen. Sparsam sein soll man mit Fleisch, Mehl und Brot, Fetten aller Art. Vorzuziehen sind (je nach den Umständen): Fische, Milch, auch Mager- und  Buttermilch, Käse, Gries, Hafer, Gertse, Kartoffeln, Gemüse, Obst, Zucker. 

Es folgen ihre detaillierten Ausführungen dazu, der Abschnitt zur Nahrungszubereitung ist ein Lob der Kochkiste und die Mahnung zur Verwendung aller Überreste. Ihr letzter Hinweis vor den Rezepten gilt dem richtigen Essen. Die Ausnützung der Nahrung bis zum äußersten ist aber zur Kriegszeit eine besondere Pflicht. Das kann nur durch intensives Kauen der Speisen und Durchspeicheln im Munde erreicht werden. Auch breiige Speisen sind durchzuspeicheln, feste Bissen sollten mindestens 30-40 mal gekaut werden, bis sie ganz ausgekaut sind und sozusagen von selbst hinunterrutschen. So manchem mag da die Lust am Essen vergangen sein. Auch eine Art Lebensmittel zu sparen.

Der Rezeptteil beginnt mit Fleischbrühe, Knochenbrühe, Wurzelbrühe. Die übliche Brotsuppe folgt erst auf den nächsten Seite. Es wird sparsam gekocht, aber nicht gedarbt. Die meisten Rezepte in den Kriegskochbüchern werden der Realität nicht annähernd entsprochen haben. Interessant am Kriegskochbuch des Schwäbischen Frauenvereins ist, dass keine Ersatzstoffe verwendet werden, keine Brühwürfel, auch die Nudeln für die Nudelsuppe werden selbstgemacht, als käme man geradewegs aus der Haushaltungsschule. Man ist qualitätsbewußt …

… und modern, was die Notation der Rezepte anbelangt. Konsequent werden Zutaten und Zubereitung getrennt. Fast konsequent: in den wenigen Fällen, in denen es keine Zutatenliste gibt, würde ich vermutlich auch keine anlegen. Nicht nur inhaltlich trennt man die Zutaten, sondern auch deutlich im Schriftbild. Sie stehen im Block vor dem Zubereitungstext und sind in einer kleineren Schrifttype petit gedruckt. Als Maße werden Gramm, Pfund, Liter, Eßlöffel, Handvoll und Pfennig verwendet. Die Preise waren im zweiten Kriegsjahr noch stabil. Als Rezeptbeispiel diesmal etwas Untypisches. Untypisch für das Kriegskochbuch des Schwäbischen Frauenvereins, weil keine Zutaten separat vermerkt sind, untypisch für eine Zeit, in der es kaum Wurstwaren gab und untypisch für Kochbücher generell. Man vermutet es eher in einer Rezeptsammlung für hilflose Singles.

Zubereitung von Würsten.

Saitenwürstchen und geräucherte rote Wurst werden in siedendes Wasser eingelegt und der Topf ganz auf die Seite des Herdes gestellt. Erstere läßt man etwa 5 Minuten, letztere 10 Minuten darin ziehen, aber nicht kochen. Blut-, Leber- und Bratwürste werden ebenso einige Minuten in Wasser erhitzt, dann in Milch gewendet und in heißem Fett schön braun gebraten. Man kann Zwiebelscheiben mitbraten, und wenn die Würste herausgenommen sind, etwas Mehl anrösten und mit Wasser zu einer Soße aufkochen.

Kriegskochbuch, S. 40f