Neues Kohlrüben-Kriegskochbuch

Praktische Anweisung zur Bereitung
der verschiedensten Speisen von Kohlrüben
mit einer Nährgeldwert-Tabelle
der gebräuchlichsten Nahrungsmittel
Herausgegeben von Ida Keller
Verlag: Rob[ert] Friese’s Buchhandlung
Chemnitz
[1917]
Schrift Fraktur
ca. 11 x 17 cm, Broschur, Umfang 30 S.
Standort Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Signatur Krieg 1914/16443

Der Umschlag ist dunkelgrün. Ein umlaufendes Zierband rahmt die Titeldaten. Auffällig ist, dass bereits auf dem Umschlagtitel ein Ratschlag zur Verwendung von Kohlrübenkochwasser zu lesen ist. Heute würde man das einen Teaser nennen. Der Preis betrug 30 Pfennige.

Die Autorin Ida Keller bleibt auch nach meiner Recherche eine Unbekannte. Der Verlag Robert Friese’s Buchhandlung ist über seinen Gründer Robert Friese belegbar. Der Buchhändler und Verleger wurde 1805 in Dresden geboren und starb 1848 Leipzig. Er hinterließ eine Frau und sechs Kinder. Die Witwe verkaufte das Unternehmen nach dem Tod ihres Mannes 1862 weiter. Die Firma expandierte, man erwarb eine Buchhandlung in Chemnitz. Die dann 1917 das Kohlrüben-Kriegskochbuch herausgab. Soweit das Wenige, was es zu Geschichte des Büchleins zu sagen gibt.

Interessant ist der Inhalt. Endlich Kohlrüben! Diese Bodenfrucht ist bis heute ein Synonym für das Essen im Krieg. Steckrüben, Dotschen, Erdkohlrabi … ihre vielen Namen zählt Ida Keller in einem Kapitel Allgemeines über die Kohlrübe auf. Die Jahreswende 1916/1917 nennt man Steckrübenwinter, ebenso die bitterkalten Monate 1946/1947. Bisher spielte die Steckrübe eine kleine Nebenrolle in den von mir vorgestellten Kriegskochbüchern. Die Kartoffel hatte die Hauptrolle inne. In der Spielzeit 1916/1917 wurde die Hauptrolle neu besetzt. Die meisten Kriegskochbücher waren bereits geschrieben und im Handel. Ida Keller schreibt ihres 1917 und schaut in im Vorwort auf die letzten Kriegsjahre zurück:

Bevor ich an die Ausführung dieses Kochbüchleins ging, kamen mir alle die Erinnerungen in mein Gedächtnis, die das große Deutschland während seines 3jährigen Ringens um seine Existenz hinter sich hat. Ich dachte an die großen Ernährungsschwierigkeiten [...]. Ich erinnerte mich des Widerwillens, als man die bisher nur in unerheblichem Maße zur Volksernährung bekannte Kohlrübe heranzog. Heute muß aber jeder Deutsche, besonders aber die Hausfrau, mit Genugtuung anerkennen, das [sic!] die Kohlrübe nicht nur ein Retter in der Not, sondern bei vielen sogar ein Freund geworden ist. 

Es folgt das bereits erwähnte Kapitel Allgemeines über die Kohlrübe mit regionalen Namensvarianten und internationalen Entsprechungen, Basiswissen zu Anbau, Sorten, Lagerung etc. Am besten schmecke die Rübe um die Weihnachtszeit. (Meine 1930 geborene Schwiegermutter fand es Ende der 90er Jahre gar nicht lustig, als ich Weihnachten einen Steckrübenauflauf zum Schinkenbraten servierte.) Keller hält sich nicht lange beim Allgemeinen auf und beginnt mit den Rezepten.

Die sind unnumeriert. Laut Register müssen es 50 sein. Im ersten werden gekochte Kohlrüben mit Apfelmus zu Brei gemischt und mit Citronenschale, Salz und Zucker nach Geschmack gewürzt und mit Zimmt verfeinert. Die Reihenfolge der Rezepte ist alphabetisch: Nach Kohlrüben mit Apfelmus folgt Kohlrüben-Bettelmann-Suppe dann Kohlrüben mit Buttermilch, Kohlrüben in Citrone, Kohlrüben mit gebackenem De-De-Fleisch. Die Rezepte lesen sich zum Teil abenteuerlich: In Kohlrüben in Citrone schichtet man gekochte Kohlrübenschnitze abwechselnd mit Zitronenscheiben in ein Glas und übergießt es mit Zuckersirup. Nach ein paar Tagen kann man das als Nachtisch reichen.

Wie auf dem Titelblatt angekündigt schließt sich an die Rezepte eine Nährwerttabelle an, dann ein Inhaltsverzeichnis mit allen Rezepten (Kohlrübe mit ….). Ein ganzseitiger Aufruf neue Rezepte dem Verlag zu schicken und eine Anzeigenseite mit Publikationen des Friese Verlags beenden das Büchlein. Was fehlt sind die üblichen Speisezettel mit Menüvorschlägen, wie z.B.

Montag:
Steckrübensuppe
Kohlrübenauflauf
Erdkohlrabikompott ...

Vorstellen möchte ich hier zwei Rezepte. Beide befinden sich auf Seite 20. Das erste im Gedenken an meine Mutter, das zweite erinnert an die Miesmuschelrezepte des Würzburger Kriegskochbuch von Amelie Sprenger.

Kohlrüben nach ostpreußischer Art.

Klein verschnittene, ganz weich, in Wasser und Salz, mit einer Zwiebel und Nelke gekochte Koblrüben, werden durcb ein Sieb geschlagen und das Mus mit brauner Butter oder etwas Fett übergossen. Bratwurst kann als Beigabe dienen.

Kohlrüben mit gebackenen Pfahlmuscheln.

Zarte, in Würfel geschnittene und Fleischbrühe weichgekochte Kohlrüben verdickt man mit einer Mehlschwitze. Inzwischen nimmt man eine Dose Pfahlmuscheln in Gelee, stellt die Dose heiß, nimmt die Pfahlmuscheln heraus und läßt diese gut abtrocknen. Man paniert die Pfahlmuscheln in Ei und geriebener Semmel oder Schwarzbrot und bäckt diese in Fett dunkelbraun. Das übrig gebliebene Gellee rührt man an die Koblrüben und gibt beides zu Tisch. Man achte darauf, das der etwa sandige Rest des Gelees beseitigt wird.