Palmin ist ein bekanntes Pflanzenfett. Ein Koch- und Backfett für alle.

Ein Pflanzenfett mit Geschichte. Um sie nachzulesen, greift ResteFerwertung wie immer nach Kochbüchern. Kochbücher erzählen Geschichten.

Das Kochbuch von Frau Dr. Korntheuer kenne ich, seit ich mich mit der Geschichte des Bayerischen Kochbuch beschäftigt habe. Frau Dr. Korntheuer wird in den ersten Auflagen zitiert – damals vor dem ersten Weltkrieg, als das Bayerische Kochbuch noch Kochbuch für Wirtschaftliche Frauenschulen auf dem Lande hieß. Frau Dr. Korntheuer war Arztwitwe aus München und Mitglied im Trägerverein der Schule. Ihr Kochbuch propagiert eine moderne, gesunde, fleischarme Ernährung. Der Untertitel lautet Im besonderen für Anhänger der Pfarrer Kneipschen Lebensweise.

Kochbuch, Korntheuer (1908)

Aus der 3. Auflage von 1908 stammt die Anzeigenwerbung für Palmin. In Namen und Bild weist sie auf die Herkunft des Pflanzenfetts hin: Es wird aus der Frucht der Kokospalme gewonnen. Das Fruchtfleisch der Kokosnüsse wurde vor Ort zu dem haltbaren Rohmaterial Kopra verarbeitet. Allerdings nicht in Ägypten – wo die Pyramiden der Anzeige stehen – sondern in Ceylon, Tahiti und Samoa (Meyers Konversationslexikon 1906). Samoa war zu dieser Zeit Deutsch-Samoa und ebenso eine deutsche Kolonie wie Togo und Neuguinea. Auch dort wurden Kokospalmen für den Export angebaut.

1892 hat Heinrich Schlinck (1840 – 1909) das erste Patent für Kochfett aus Kopra angemeldet und seit 1894 wird es unter dem Namen Palmin vertrieben. Wie man bei Korntheuer lesen kann, wird das Pflanzenfett aus „ökonomischen“ Gründen geschätzt. Palmin war deutlich günstiger als Butter. Die Entlohnung der Arbeiter in den Kolonien fiel sicher nicht ins Gewicht. Zudem sei es in „hygienischer Beziehung hochgeschätzt“, schreibt Korntheuer. Nicht dass man Palmin zur Körperpflege verwendete (auch wenn aus Kopra auch Seife hergestellt wurde), gemeint war die Bekömmlichkeit des Pflanzenfetts. Es ist gesund, weil leicht verdaulich.

Kochbuch, Korntheuer (1908), S. 281

Zurück zum niedrigen Preis. Dieser ist sicher der Grund, warum im Bayerischen Kochbuch von 1938 ein Rezept für eine weitere Fettmischung aufgenommen wurde. Die Fettmischung IV besteht aus Butterschmalz und Palmin, Kokosfett oder Schmelzmargarine.

Bayerisches Kochbuch, 17. Auflage (1938), S. 81

Eine weitere geschätzte Eigenschaft von Palmin ist seine Haltbarkeit. Auch in warmer Umgebung ist es formstabil und verdirbt nicht. Kein Wunder, dass es sich laut Antonie Brandeis in ihrem Kochbuch für die Tropen (1907) für den Gebrauch in den Kolonien eignet. Die deutsche Hausfrau kann mit Palmin deutsch kochen. Angebaut, geerntet und zerkleinert auf Samoa – verarbeitet im Deutschen Reich – verkocht wiederum in den Kolonien. Ein kolonialer Kreislauf.

Palmin ist haltbar, preiswert, gesund und koscher. Marie Elasser empfiehlt es in Ausführliches Kochbuch für die einfache und feinere jüdische Küche von 1911: „Unter den Pflanzenfetten, die besonders geeignet sind, die Fleischfette und die Kuhbutter zu ersetzen, also für milchdinge und fleischdinge Speisen verwendet werden dürfen, möchte ich die beiden Produkte Palmin und Palmona vor allen anderen empfehlen“ (S. 12).

Was mir noch fehlt, ist eine Bemerkung zum Geschmack. Wenn es ums Kochen geht, sollte er einer Erwähnung wert sein. Im kolonialen Kochbuch von Antonie Brandeis werde ich fündig. „Kokosnußöl ist seines strengen Geruchs wegen für Europäer nicht genießbar, wohl aber die in Europa aus Kokosnuß hergestellten Buttersurrogate, wie Palmin und Pflanzenbutter“ (S. 86). Das Kokosfett schmeckt demnach nicht schlecht – für die Zunge einer Europäerin. Die Perspektive immer im Sinn.

Das war der Blick zurück in die Kochbücher. Palmin ist eine Zutat, die vom Kolonialismus, von Erfindergeist, von Sparsamkeit und Speisegeboten erzählt. Sehr ergiebig.

Heute wirbt Palmin mit einem neuen Label: vegan.